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TVöD: Außerord. Änderungskündigung – tarifliche Unkündbarkeit

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Das BAG hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine Änderungskündigung wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD i.V.m. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT unwirksam ist.

 

Sachverhalt

 

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1979 bei dem beklagten Landkreis beschäftigt, zuletzt als Bademeister. Auf das Arbeitsverhältnis fand früher der BAT und danach der TVöD Anwendung. Der Kläger erhielt Entgelt nach der Entgeltgruppe 8 TVöD, die sich zuletzt auf 2.549,87 Euro brutto monatlich belief.

Der Betriebsarzt hatte mehrfach empfohlen, den Kläger nicht mehr als Schwimmmeister einzusetzen. Der amtsärztliche Dienst des  Arbeitgebers stellte fest, dass der Kläger an chronischen Erkrankungen des Herz- und Kreislauf- sowie des Stoffwechselsystems leide und eine ausgeprägte Adipositas vorliege. Es seien umfangreiche medikamentöse Therapien erforderlich. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit in einer Rettungswache und der bestehenden Risikofaktoren sei aus betriebsärztlicher Sicht „die gesundheitliche Eignung zum Retten Ertrinkender auf Dauer nicht mehr gegeben“. Nach Beteiligung des Personalrats kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten und bot ihm eine ganzjährige Beschäftigung auf dem Bauhof bei einer reduzierten Vergütung nach Entgeltgruppe 3 TVöD an.

Der Kläger hält die Änderungskündigung für unwirksam. Selbst bei Vorliegen eines Kündigungsgrunds nach § 34 Abs. 2 TVöD habe ihn der Arbeitgeber auf einem anderen – angemessenen – Arbeitsplatz bei gleich bleibender Bezahlung weiterbeschäftigen müssen. Einer Vergütung nach Entgeltgruppe 3 TVöD stehe § 55 BAT entgegen, der lediglich die Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe zulasse. Die Regelung in § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT gelte nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD fort.

Der beklagte Arbeitgeber hält die Änderungskündigung für rechtswirksam. § 34 Abs. 2 TVöD verbiete die außerordentliche Kündigung nicht. Der Kläger könne seine bisherige Tätigkeit als Schwimmmeister aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Eine Rückstufung des Klägers in die Entgeltgruppe 3 TVöD sei gerechtfertigt, da er im Bauhof nur mehr Hilfsarbeitertätigkeiten ausübe.

 

 

Prozessergebnis

 

Die Klage blieb in sämtlichen Instanzen erfolglos.

 


 
Begründung (Zusammenfassung)

 

Die Änderungskündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD i. V. m. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT unwirksam.

Nach der zuletzt genannten Vorschrift konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers unter bestimmten Voraussetzungen zum Zweck der Herabgruppierung um lediglich eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn der Angestellte dauerhaft außerstande war, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt wurde.

Diese Regelung fand im Zeitpunkt der Kündigung keine Anwendung mehr.

Insbesondere folgt dies nicht aus Satz 4 der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA. Darin ist bestimmt, dass u. a. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT in seinem „bisherigen Geltungsbereich“ unberührt bleibt. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT ist nicht aufgeführt. Dies zeigt, dass die Modalitäten der Unkündbarkeit nicht bereits nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD weitergelten. Anderenfalls hätte es der ausdrücklichen Anordnung der Weitergeltung von § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT nicht bedurft.

Die Änderungskündigung ist durch einen wichtigen Grund i. S. des § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD gerechtfertigt. Danach konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihm beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Eine ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD gilt auch für eine Änderungskündigung. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an. Zugleich gilt § 626 Abs. 2 BGB, wonach die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden kann.

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind. Im Fall eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers kommt der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kündigung – wenn möglich – durch andere Maßnahmen abzuwenden, eine besondere Bedeutung zu.

Ob der Arbeitnehmer in eine ihm angesonnene Änderung billigerweise einwilligen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Zumutbar ist eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen insbesondere dann, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, ihn überhaupt weiterzubeschäftigen.

Gemessen daran war im vorliegenden Fall die Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig und sind die geänderten Bedingungen dem Arbeitnehmer zumutbar.

Das LAG hat festgestellt, dass der Kläger auf Dauer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Schwimmmeister hat eingesetzt werden können. Dem Arbeitgeber war es nicht zumutbar, eine Umverteilung der Aufgaben der Rettungsschwimmer in der Weise vorzunehmen, dass künftig nur die beiden Kollegen des Klägers für die Rettung Ertrinkender zuständig wären. Eine Aufgabentrennung in die reine Aufsicht einerseits und die Rettung Ertrinkender andererseits war weder sachlich sinnvoll noch personell umsetzbar. Insbesondere war eine Dienstplangestaltung, die neben dem Kläger immer mindestens einen weiteren Mitarbeiter des Rettungsdienstes vorsähe, nicht möglich. Eine Möglichkeit, den Kläger an anderer Stelle gleichwertig zu beschäftigen, bestand ebenfalls nicht.

 

 

Auf die vollständige Begründung des Urteils wird verwiesen.

 

 

BAG vom 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 -

 

 

Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht a. D.

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