Fußballstadion neben Splittersiedlung
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1; 18. BImSchV §§ 2 Abs. 2, 4, 5 u. 6, 5 Abs. 5, VwGO §80
1. Zur immissionsschutzrechtlichen Problematik des Betriebs eines Fußballstadions bei benachbarter Wohnbebauung (hier: Interessenabwägung im Einzelfall).
2. Die 18. BImSchV enthält konkrete Vorgaben für die rechtliche Beurteilung des Nutzungskonflikts zwischen Sportanlagen und Nachbargrundstücken.
3. Bewohner des Außenbereichs können nur die Schutzmaßstäbe für sich in Anspruch nehmen, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche, mithin für Kern-, Dorf- und Mischgebiete einschlägig sind.
4. Ob Lichtimmissionen zumutbar sind, ist unter Beachtung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat, im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist dabei auch die durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft.
5. Der nordrhein-westfälische Runderlass „Lichtimmissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung“ vom 13. September 2000 kann als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden.
OVG NRW, Urteil vom 27.2.2009 – 7 B 1647/08 –
Aus den Gründen:
Der Schutzanspruch der Ast. wird nach den Ausführungen des VG – nach wie vor – u.a. durch den Umstand bestimmt, dass die Ansiedlung auf der Südseite der Q.-Straße, zu der auch das Wohngrundstück der Ast. gehört, als Splittersiedlung im Außenbereich und nicht etwa als Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu qualifizieren ist . . .
Geht es – wie schwerpunktmäßig auch hier – um eine mögliche Beeinträchtigung benachbarter Grundstücke durch Lärmimmissionen, kommt es – was die Beachtung des Rücksichtnahmegebots angeht – maßgeblich auf die Zumutbarkeitsschwellen an, die sich aus den Maßstäben des BImSchG ergeben. Die aufgrund von § 23 Abs. 1 BImSchG erlassene Sportanlagenlärmschutzverordnung – 18. BImSchV – enthält insoweit konkrete Vorgaben für die rechtliche Beurteilung des Nutzungskonflikts zwischen Sportanlagen und Nachbargrundstücken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.5.2006 – 7 B 1.06 –, juris, Urteil vom 23.9.1999 – 4 C 6.98 –, BRS 62 Nr. 86, und Beschluss vom 8.11.1994 – 7 B 73.94 –, UPR 1995, 108).
§ 2 der 18. BImSchV konkretisiert das vom Normgeber für erforderlich gehaltene Lärmschutzniveau differenzierend nach dem Gebietscharakter, nach Tages-, Nacht- und Ruhezeiten und nach Werktagen sowie Sonn- und Feiertagen durch Festlegung bestimmter Immissionsrichtwerte und des Verfahrens für die Ermittlung und Beurteilung der Geräuschemissionen. Die Berücksichtigung von Besonderheiten des Sportlärms wird in dem durch die Verordnung bestimmten Rahmen (vgl. z. B. § 2 Abs. 4 und § 5 Abs. 5 18. BImSchV) ermöglicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.11.1994 – 7 B 73.94 –, a.a.O.). Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen anhand der 18. BImSchV knüpft nach § 2 Abs. 2 18. BImSchV an die Schutzbedürftigkeit des Immissionsortes, hier also des Grundstücks der Ast. an. Soweit die Ast. geltend macht, die Schutzbedürftigkeit der Wohngrundstücke südlich der Q.-Straße richte sich nach deren tatsächlicher Nutzung, verkennt sie, dass von der tatsächlichen baulichen Nutzung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entwicklung des Gebiets (nur dann) auszugehen ist, wenn die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Sportanlage erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung abweicht (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 3 18. BImSchV). Bei einem Gebiet, für das – wie vorliegend – keine Festsetzungen in einem Bebauungsplan bestehen, beurteilt sich das zumutbare Lärmschutzniveau nach § 2 Abs. 2 18. BImSchV (allein) entsprechend der Schutzbedürftigkeit des Gebiets (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 2 18. BImSchV).
Angesichts der der Entscheidung mangels durchgreifenden Beschwerdevorbringens zu Grunde zu legenden Außenbereichslage ihres Wohngrundstücks kann die Ast. nicht, wie sie meint, den Schutzmaßstab eines allgemeinen Wohngebiets für sich in Anspruch nehmen. Der Außenbereich ist kein Baugebiet, sondern soll tendenziell von Bebauung freigehalten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.7.1999 – 4 B 38.99 –, BRS 62 Nr. 189).
Dies schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall im Außenbereich – sei es auf Grund privilegierter Nutzung, sei es ohne Privilegierung bei fehlender Beeinträchtigung öffentlicher Belange – auch gewohnt werden darf, so dass Wohnnutzungen im Außenbereich nicht schutzlos sein dürfen. Bewohner des Außenbereichs können jedoch nur die Schutzmaßstäbe für sich in Anspruch nehmen, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche, mithin für Kern-, Dorf- und Mischgebiete einschlägig sind (vgl. zur TA Lärm: OVG NRW, Beschluss vom 8.1.2008 – 7 B 1741/07 –, UPR 2008, 159, und Urteil vom 18.11.2002 – 7 A 2127/00 –, BRS 65 Nr. 182, m.w. N).
Dass sich das Wohngrundstück der Ast. in einer – nicht als Ortsteil zu qualifizierenden – Ansiedlung befindet, in der sich im Wesentlichen nur Wohngebäude mit Nebengebäuden befinden, ist diesbezüglich ebenso unerheblich wie die Annahme der Ast., der Ag. führe bewusst eine Verfestigung der dortigen Splittersiedlung herbei, indem er neue Wohnbebauung zulasse.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 18. BImSchV betragen die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Kern-, Dorf- und Mischgebieten tags außerhalb der Ruhezeiten 60 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeiten 55 dB(A) und nachts 45 dB(A). Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen sollen die Immissionsrichtwerte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 18. BImSchV tags um nicht mehr als 30 dB(A) sowie nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten (vgl. § 2 Abs. 4 1. Halbsatz 18. BImSchV) . . .
Die . . . Baugenehmigung vom 22.11.2007 stellt bei summarischer Prüfung – für ein Offensichtlichkeitsurteil jedoch noch nicht mit hinreichender Gewissheit – sicher, dass die mit der Nutzung des Stadions verbundenen Lärmimmissionen die Ast. jedenfalls während der Tageszeit einschließlich der Ruhezeiten, d. h. zwischen 6.00 Uhr an Werktagen bzw. 7.00 Uhr an Sonn- und Feiertagen und 22.00 Uhr (vgl. § 2 Abs. 5 Nr. 1 18. BImSchV) nicht über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigen (wird ausgeführt).
Zweifelhaft erscheint allerdings, ob die angefochtene Baugenehmigung sicherstellt, dass die mit der Nutzung des Stadions verbundenen Immissionen die Ast. während der Nachtzeit, d. h. nach 22.00 Uhr (vgl. § 2 Abs. 5 Nr. 2 18. BImSchV) nicht über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigen (wird ausgeführt).
Das Beschwerdevorbringen gibt schließlich nichts Substantielles dafür her, dass die angefochtene Baugenehmigung wegen der Ast. unzumutbarer Lichteinwirkungen gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
Insoweit spricht zwar einiges dafür, dass sich, wie die Ast. rügt, anhand der lichttechnischen Betrachtung der S. GmbH vom 19.8.2007 die Lichteinwirkungen nicht hinreichend sicher beurteilen lassen, zumal sich diese Betrachtung auf die Innenbeleuchtung des Stadions beschränkt. Eine etwaige Mangelhaftigkeit dieser Betrachtung lässt jedoch nicht bereits auf Lichtimmissionen schließen, die der Ast. nicht zumutbar sind.
Insoweit ist überdies zu berücksichtigen, dass die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden kann, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind. Ob Lichtimmissionen zumutbar sind, ist daher unter Beachtung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat, im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist dabei auch die durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft, wobei wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz einzubeziehen sind. Alle Faktoren sind in eine wertende Gesamtbeurteilung im Sinne einer Güterabwägung einzustellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2007 – 10 A 998/06 –, BRS 71 Nr. 70, m. w. N, und Beschluss vom 26.5.2004 – 7 B 879/04 –).
Auch der Gemeinsame Runderlass „Lichtimmissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung“ des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr und des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 13.9.2000, hat keinen quasi-normativen Charakter, kann jedoch als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2007 – 10 A 998/ 06 –, a.a.O., und Beschluss vom 21.12.2006 – 7 B 2193/06 –, BRS 70 Nr. 181). Der Gemeinsame Runderlass geht von dem nachvollziehbaren Ansatz aus, dass „Raumaufhellung“ und „psychologische Blendung“ zu den maßgeblichen Kriterien bei der Beurteilung von Lichtimmissionen gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2007 – 10 A 998/06 –, a.a.O.).
Das Beschwerdevorbringen der Ast. knüpft allein an das Kriterium „Raumaufhellung“ an. Ihre Behauptung, es komme wegen der Flutlichtanlage und der vollständig unberücksichtigten Platzbeleuchtung zur Streulichtbildung mit resultierender Aufhellungs-/ Blendwirkung, insbesondere in den oberen Geschossen der Wohnhäuser, vermag eine Rücksichtslosigkeit der Lichteinwirkungen allein nicht zu begründen. Konkrete Anhaltspunkte für eine signifikant erhöhte Helligkeit von Wohnräumen sind dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.
Überdies lässt die Antragstellerin außer Acht, dass das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme auch die Prüfung verlangt, welche Maßnahmen ihr zumutbar sind, um Lichtimmissionen zu mindern. Dabei muss bei der Feststellung, ob eine Belästigungswirkung den Grad der Erheblichkeit erreicht, auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abgestellt werden, so dass eine gesteigerte Empfindlichkeit des Betroffenen nicht zu berücksichtigen ist. Insbesondere bei Lichtimmissionen sind daher von der Ast. auch Maßnahmen der Lichtdämpfung zu verlangen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2007 – 10 A 998/ 06 –, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass es der Ast. nicht möglich sein sollte, Wohnbereiche, in welchen sie sich durch etwaige Lichtimmissionen belästigt fühlt, wirksam durch Vorhänge, Gardinen, Jalousetten etc. abzuschirmen, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Eine solche Abschirmung ist für die wenigen Tage im Jahr, an denen ein Spielbetrieb den Einsatz von Beleuchtungsanlagen erfordert, die sich zudem auf das Grundstück der Ast. störend auswirken könnten, zumutbar . . . Angesichts dieser Gegebenheiten ist dem (vom Ag. unterstützten) Interesse der Beigel., das Stadion weiter nutzen zu können, ein höheres Gewicht beizumessen . . .