Entfernungsentschädigung für Arbeitnehmer in der Forstverwaltung nach § 23 Abs. 7 TV-Forst – Einsatzwechseltätigkeit als Anspruchsvoraussetzung
In einem Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht hat der Kläger – ohne Erfolg – von dem beklagten Land Mecklenburg-Vorpommern verlangt, an ihn eine tarifliche Entfernungszulage zu zahlen.
Orientierungssätze:
- Der Arbeitnehmer hat die Kosten für die Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück zur Wohnung grundsätzlich selbst zu tragen.
- Von diesem Grundsatz sind die Tarifvertragsparteien in § 23 Abs. 7 TV-Forst (wonach der Beschäftigte ab dem 31. Kilometer eine Entfernungsentschädigung erhält, wenn er sein Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung benutzt) für den Fall nicht abgewichen, dass der Arbeitnehmer seinen Dienst jeden Tag an ein und derselben Arbeitsstelle antritt und ihn dort auch beendet. Das Tarifmerkmal „Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung“ ist nur erfüllt, wenn der Beschäftigte an verschiedenen Arbeitsstellen eingesetzt wird.
Kernaussagen aus der Entscheidungsbegründung:
Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst:
Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien allgemein von dem Grundsatz abweichen wollten, dem zufolge Beschäftigte die Fahrtkosten von ihrer Wohnung zu ihrer Arbeitsstelle und zurück zur Wohnung selbst zu tragen haben, diese also nicht vom Arbeitgeber getragen werden, sondern vom Beschäftigten lediglich als Werbungskosten steuermindernd geltend gemacht werden können (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Allerdings haben die Tarifvertragsparteien des TV-Forst gesehen, dass es sachliche Gründe geben kann, von diesem Grundsatz – auch im Interesse des Arbeitgebers – abzuweichen. Sie haben es für angemessen gehalten, dass Beschäftigte, die nicht an ein und derselben Arbeitsstelle, sondern auf Anordnung des Arbeitgebers an verschiedenen Arbeitsstellen eingesetzt werden, unter den in § 23 Abs. 7 TV-Forst genannten Voraussetzungen eine Entfernungsentschädigung erhalten.
Der Arbeitgeber hat bei dieser Beschäftigtengruppe ein wirtschaftliches Interesse daran, dass die Beschäftigten für die Fahrtstrecke von der Wohnung zu ihrer ersten Arbeitsstelle und von ihrer letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung ihre Kraftfahrzeuge benutzen. Hierdurch erspart sich der Arbeitgeber die Aufwendungen für den Transport des Beschäftigten von der letzten zur ersten Arbeitsstelle. Hat ein Beschäftigter Aufwendungen für Fahrten mit seinem Kraftfahrzeug, die nicht wie beim Weg zur Arbeitsstelle durch seine allgemeine Lebensführung, sondern durch die Erledigung eines dienstlichen Auftrags verursacht sind, und erspart er dem Arbeitgeber dadurch Transportkosten für Personen und Sachen, soll die Fahrzeugentschädigung seine im Interesse des Arbeitgebers aufgewandten Fahrtkosten abgelten.
Hinzu kommt, dass Beschäftigte, die der Arbeitgeber an verschiedenen Arbeitsstellen einsetzt, nur eingeschränkt die Möglichkeit haben, die von ihnen zurückzulegenden Fahrtstrecken durch eine veränderte Wohnsitznahme zu beeinflussen. Dies unterscheidet sie von Beschäftigten, die stetig an einer Arbeitsstelle tätig werden. Diese können ihren Wohnsitz regelmäßig in der Nähe ihrer Arbeitsstelle nehmen und dadurch die Fahrtstrecken verkürzen.
Systematische Stellung der Regelung des § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst:
Wenn die Tarifvertragsparteien die Regelungen in § 23 TV-Forst unter die Überschrift „Besondere Zahlungen“ gestellt haben, wird daraus deutlich, dass die in dieser Tarifvorschrift festgelegten Leistungen nicht allen, sondern nur den Beschäftigten zustehen sollen, die die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. § 23 Abs. 5 TV-Forst regelt die Kostenerstattung in Fällen, in denen der Arbeitnehmer „zur Erledigung eines betrieblichen/dienstlichen Auftrags während der Arbeitszeit“ sein Kraftfahrzeug einsetzt. In § 23 Abs. 6 TV-Forst haben die Tarifvertragsparteien als besondere Zahlung eine Transportentschädigung vorgesehen, wenn der Beschäftigte außerhalb der Arbeitszeit betriebseigenes Gerät oder Material mit seinem Kraftfahrzeug transportiert. Nach § 23 Abs. 8 TV-Forst steht dem Beschäftigten als besondere Zahlung eine Entschädigung zu, wenn er zu Holzerntearbeiten seine Motorsäge oder eigenes Hauungswerkzeug einsetzt. All diesen Tarifbestimmungen ist gemeinsam, dass sie einen finanziellen Ausgleich für die Fälle vorsehen, in denen der Arbeitnehmer Aufgaben wahrnimmt, die an sich dem Pflichtenkreis des Arbeitgebers zuzuordnen sind. Sowohl die Benutzung eines Privatkraftwagens im Rahmen eines dienstlichen Auftrags als auch der Transport von betriebseigenen Geräten und die Benutzung einer im Eigentum des Beschäftigten stehenden Motorsäge stellen Aufwendungen des Beschäftigten im Interesse des Arbeitgebers dar. Gleiches gilt, wenn der Beschäftigte wegen dienstlich veranlasster Einsatzwechseltätigkeit seinen Pkw nutzt.
Auf die vollständige Entscheidungsbegründung wird Bezug genommen.
BAG U.v. 20.3.2012
Az.: 9 AZR 518/10
Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.